42. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe
17th International Congress of the International Society of Psychosomatic Obstertics and Gynaecology
Migrantinnen – vom Fremdsein in der Medizin

23.5.2013 - Menschen mit Migrationshintergrund haben überall in Europa einen schlechteren Zugang zu den Angeboten des Medizinsystems und der Gesundheitsfürsorge als die jeweils einheimische Bevölkerung. Das gilt auch für Deutschland. Vielfach fehlt es bei der medizinischen Behandlung von Migrantinnen und ihren Familien an Wissen über deren Bedürfnisse, möglicherweise andere Traditionen und Auffassungen von Gesundheit, Krankheit, Schmerz und Tod. „Die Strukturen der Gesundheitsversorgung und die Ausbildung der Fachkräfte sind bisher nicht ausreichend auf die Einwanderungsgesellschaft ausgerichtet, so dass die Arzt-Patient-Interaktion oft für beide Seiten unbefriedigend bleibt“, so Prof. Dr. Theda Borde von der Alice-Salomon-Hochschule (ASH) Berlin auf einer Pressekonferenz am 23. Mai 2013 in Berlin, die anlässlich des Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) und der International Society for Psychosomatic Obstetrics and Gynaecology (ISPOG) durchgeführt wurde.

Da Verständigungs- und Verständnisschwierigkeiten gerade in der Medizin die Gesundheit gefährden und den Heilungserfolg bei der Behandlung von Krankheiten in Frage stellen, hat die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe das Thema „Migration“ als einen Schwerpunkt ihres diesjährigen Kongresses gewählt. 

Studien haben gezeigt, dass die ärztliche Aufklärung – zum Beispiel über Arzneimittel oder über Behandlungsmaßnahmen – oft zu knapp ausfällt oder bei den Patientinnen nicht ankommt, wenn Sprachbarrieren die Verständigung erschweren. Eine partizipative Entscheidungsfindung ist unter diesen Umständen nicht möglich.

Die Thematik ist dringlich, denn in Deutschland leben nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2005 etwa 15 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Grundlegende Fragen der Gesundheitsforschung sind für diese große und heterogene Gruppe bisher nicht einmal im Ansatz beantwortet. Eine aktuelle Studie der ASH zeigt allerdings positive Entwicklungen bei der Versorgung in Schwangerschaft und Geburt in der großen Gruppe der Migrantinnen der 2. Generation, so Theda Borde: Die ärztlichen Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen werden von diesen Migrantinnen und einheimischen Frauen inzwischen in gleicher Weise wahrgenommen. Außerdem werden bei Migrantinnen deutlich weniger Risikoschwangerschaften beobachtet und weniger Kaiserschnitte durchgeführt. Problematisch bleibt allerdings die Versorgungssituation für Frauen, die neu zugewandert sind oder einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben und für ältere Migrantinnen. Vorsorgeleistungen durch die gesamte Schwangerschaft hindurch, das Recht auf Hebammenhilfe oder auch die Krebsfrüherkennungs-untersuchungen sind in diesen Gruppen nicht ausreichend bekannt.

Was bedeutet interkulturelle Öffnung in der Gesundheitsversorgung? Wie kann die gewünschte therapeutische Beziehung trotz vieler Hürden konstruktiv und kooperativ gelingen? Wie können Lebensgeschichte, Bildung, Sprachschwierigkeiten, Ängste, Scham und Tabus im Lauf der medizinischen Behandlung berücksichtigt werden? Wie können Ärztinnen und Ärzte lernen, das Fremdsein zwischen ihnen selbst und den Patientinnen zu akzeptieren und trotz allem, befriedigende Strategien für den praktischen Alltag zu entwickeln? Dr. Ibrahim Güngör, Düsseldorf, stellte auf der Pressekonferenz wichtige Impulse für eine neue Sichtweise vor.

© DGPFG 2013 und ISPOG 2013

Ihre Ansprechpartner:
Prof. Dr. Theda Borde MPH, Rektorin der Alice Salomon Hochschule Berlin, Alice-Salomon-Platz 5, 12627 Berlin

Dr. med. Ibrahim Güngör, Rahmer Straße 6, 44369 Dortmund