FOKO 2013
Hormontherapie so früh wie möglich
Langfassung


Zwei neue, im vergangenen Jahr publizierte Langzeitstudien brachten überra-schende Ergebnisse zu dem Thema „Risiken und Benefits der Hormonersatzthe-rapie (HRT)“.

Eine im Oktober 2012 erschienene dänische Publikation von Louise Lind Schi-erbeck untersuchte nach einer zehnjährigen Randomisierung und einer darauf folgenden sechsjährigen Beobachtungszeit das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen, die entweder Plazebo oder Hormone einnahmen.

Dabei zeigte sich in der Hormongruppe eine signfikante Reduktion der allgmeinen Mortalität gegenüber der Plazebogruppe, der Herzerkrankungen und vor allem der Herzinfarkte, ohne dass es zu einer Zunahme von Malignome, Thrombosen oder Schlaganfälle gekommen wäre [3]: „Significantly reduced risk of mortality, heart failure, or myocardial infarction, without any apparent increase in risk of cancer, venous thromboembolism, or stroke.“

Erstmals bestätigte die Arbeit, was in denn vergangenen Jahren immer wieder diskutiert wurde: dass es es nämlich einen Unterschied macht, ob die HRT unmit-telbar nach der Menopause oder erst ein Jahrzent später begonnen wurde. Die dänische Untersuchung randomisierte unmittelbar nach Beginn der Menopause („1006 healthy women aged 45-58 who were recently postmenopausal or had perimenopausal symptoms”), während eine ebenfalls vergangenes Jahr erschienene Metaanalyse zugibt, dass die großen Studien bisher Frauen ein-schlossen, die schon längere Zeit in der Menopause waren [2]: „Most participants were postmenopausal American women with at least some degree of co-morbidity, and the mean participant age in most studies was over 60 years. None of the studies focused on perimenopausal women.“

Dies weist die unterschiedliche Praxis der Hormonverschreibung zwischen den angelsächsischen und den kontinentalen Ländern auf: In letzteren erfolgt die medikamentöse Behandlung menopausaler Beschwerden präferentiell unmittelbar nach der Menopause, wenn Beschwerden vorhanden sind. Dadurch stellt sich auch die Frage, ob die amerikanisch-angelsächsischen Studienergebnisse tatsächlich auf den kontinental-europäischen Bereich ausgedehnt werden dürfen. Dies betrifft nicht nur das kardiovaskuläre, sondern auch das neurodegenerative Risiko.

Die zweite im April erschienene Arbeit war der lang erwartete Estrogen-only-Arm der WHI-Studie, die die Ergebnisse von elf Beobachtungsjahren vorlegte [1].

Nach dem medianen Follow-up von 11,8 Jahren (IQR 9,1 – 12,9) und einer vorherigen Verwendung von Östrogen über einen medianen Zeitraum von 5,9 Jahren (2,5 – 7,3) zeigte sich in der Östrogengruppe eine niedrigere Inzidenz von invasiven Brustkrebs (151 Fälle, 0,27% pro Jahr) gegenüber Plazebo (199 Fälle, 0,35% pro Jahr) (HR 0,77; 95% CI 0,62 – 0,95; p = 0,02). Dieser be-merkenswerter Unterschied betraf Frauen ohne belastende Brustanamnese.

Besonders erwähnenswert ist der Unterschied in der Mortalität nach 11,8 Jahren, wenn man die Todesfälle in der Östrogengruppe gegenüber Plazebo vergleicht. In der Östrogen-Gruppe, starben weniger Frauen an Brustkrebs (sechs Todesfälle, 0,009% pro Jahr) im Vergleich zur Kontrollgruppe (16 Todesfälle, 0,024% pro Jahr; HR 0,37, 95% CI 0,13 – 0,91; p = 0,03). Aber auch die Sterblichkeitsrate aus anderen Gründen lag bei jenen Frauen, die Östrogene einnahmen, niedriger als in der Plazebogruppe:
• Nach Östrogeneinnahme 30 Tote, 0,046% (pro Jahr)
• Plazebogruppe: 50 Tote, 0,076% (pro Jahr) (HR 0,62, 95% CI 0,39 – 0,97; p = 0,04).

Auch eine weitere Publikation zu experimentellen Arbeiten aus Wien bringt eine neue Sichtweise auf die Wirkung der ovariellen Hormone (4). Nach diesen Ergebnissen scheinen bestimmte synthetische Gestagene brustbelastend zu sein, die auch in den Metabolisierungsprozess des Östrogens – was bisher klinisch ausgeklammert wurde – eingreifen.

Beide Arbeiten haben wissenschaftliche und praktische Konsequenzen: Einerseits zeigen sie, dass die plakative Botschaft „Östrogene erzeugen Krebs“ unrichtig und intellektuell zu flach ist, andererseits erlauben sie eine bessere Information der an menopausalen Beschwerden leidenden Frauen. Denn viele Patientinnen, die an wechseljahrestypischen Symptomen leiden, müssen ohne HRT auf andere Medikamentegruppen wie Antidepressiva, Hypnotika, Cholesterinsenker aus-weichen, wie man aus den Verschreibungsraten-Statistiken der Krankenkassen ersehen kannn.

Quellen:

1. Andersen GL et al. Conjugated equine oestrogen and breast cancer incidence and mortality in postmenopausal women with hysterectomy: extended follow-up of the Women's Health Initiative randomised placebo-controlled trial. The Lancet Oncol. 2012 May;13(5):476-86. doi: 10.1016/S1470-2045(12)70075-X
2. Marjoribanks J, Farquhar C, Roberts H, Lethaby A. Long term hormone therapy for perimenopausal and postmenopausal women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2012, Issue 7. Art. No.: CD004143. DOI: 10.1002/14651858.CD004143.pub4.
3. Schierbeck L et al. Effect of hormone replacement therapy on cardiovascular events in recently postmenopausal women: randomised trial. BMJ 2012;345:e6409 doi: 10.1136/bmj.e6409
4. Schramek D et al. Osteoclast differentiation factor RANKL controls development of progestin-driven mammary cancer. Nature. 2010 Nov 4;468(7320):98-102. doi: 10.1038/ nature09387. Epub 2010 Sep 29.

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